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Artikel: Ich habe Frieden mit mir geschlossen und fühle mich wohl.

Ich habe Frieden mit mir geschlossen und fühle mich wohl.

Ich habe Frieden mit mir geschlossen und fühle mich wohl.

Teil 2: Interview mit Melanie

Was hat dich im Verlauf deiner Krankheit über das Thema Brustkrebs am meisten überrascht?

Ich wusste viel über Brustkrebs nicht. Ich hatte ein Halbwissen und war sehr erstaunt, wie aktuell doch die Therapie ist, dass wirklich mittlerweile jede Frau unterschiedlich behandelt wird. Bei gleichem Krankheitsbild kommen unterschiedliche Medikamente zum Einsatz und ich habe zwischendurch so einen Aha-Moment gehabt, dass ich dachte: Was ist denn das, wo wir als Menschen am meisten Angst vor haben? Und so mitten in der Therapie. Ich hatte keine Haare, war aufgedunsen vom Cortisol und hatte irgendwie einen lustigen Moment mit meinen Freundinnen. Und da habe ich gedacht, genauso ist es. Wir haben Angst vor dieser Krebs-Diagnose. Und dann stellt man auf einmal fest, dass das Leben trotzdem weiter geht. Man stirbt ja nicht. Man lebt ja weiter mit allen Höhen und Tiefen. 

Da kommt irgendwie mehr Tiefgang, weil Dinge, die vorher sehr wichtig waren, auf einmal gar keine Rolle mehr spielen.

Was hat sich für dich nach der Krankheit geändert?

Ich war vorher Vollzeit berufstätig und es war mir wichtig und es war auf einmal weg. Es war einfach egal. Es war vollkommen egal. Und gar nicht existent. Also ich habe da auch gar nicht darüber nachgedacht über den Beruf. Ich habe es in der Zeit auch gar nicht vermisst, weil ich gar nicht die Kraft dafür gehabt hätte. Im Gegenteil, ich habe mir sehr viele Gedanken über meinen Beruf gemacht. Ich dachte mir, dass ich mich so reingehängt und engagiert hatte… und warum eigentlich? Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht.  

Ich habe mittlerweile ein Gespür entwickelt, dafür, was ich will und was ich nicht will und was ich in beruflicher Hinsicht nicht mehr machen möchte. Früher war ich viel eher kompromissbereit. Jetzt mache ich bestimmte Dinge einfach nicht mehr. 

Wie hat sich dein Verhältnis zu deinen Brüsten geändert?

Ich habe immer gedacht, ich mag meine Brüste und finde sie auch sehr schön und groß. Aber es fühlt sich jetzt so viel natürlicher an. Ich will nicht sagen, dass mich meine Brüste gestört hätten, aber ich habe schon unter dieser großen Brust immer auch geschwitzt und das ist jetzt weg. Ja, es fühlt sich einfach sehr leicht an. Ich fühle mich jetzt sehr wohl mit meinem Oberkörper.

Was würdest du dir von der Unterwäscheindustrie für brustlose Frauen wünschen?

Als brustlose Frau möchte man trotzdem hübsch angezogen sein. Ja, oder gerade erst recht deswegen. Und wenn ich jetzt zum Beispiel ein weiter geschnittenes Oberteil trage, ist es mir wichtig, dass ich etwas drunter trage, das die Narben verdeckt. Und es soll kein klassisches Unterhemd sein, sondern eine Art Bralette. Ich möchte nicht, dass jemand die Narben anschaut. Dafür gibt es einfach nicht so viele nette Teile, die weich und angenehm sind. Vor der OP habe ich zum Beispiel unheimlich gerne Merinowäsche getragen - das kann ich jetzt nicht mehr. Das stört mich so auf der Haut. Auch Spitzenunterwäsche fühlt sich etwas rau auf der Haut an. Das kann ich auf der Nabe nicht tragen.

Gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?

Zum einen bin ich unglaublich stolz und dankbar, dass mein Körper das so geschafft hat, dass er die Kraft hatte. Aber auch, dass ich diese Entscheidung getroffen und für mich selbst gekämpft habe, dass mir die Brüste abgenommen werden. Dass ich auf mich gehört habe und so geradlinig war. Manchmal ist man ja so wankelmütig. Man will etwas und dann wird man unsicher und dann hört man etwas, dann will man es doch nicht. Aber ich war von Anfang an einfach sicher, dass ich das genau so haben möchte und dann hinterher aus dem OP zu kommen, an sich herunter zu sehen. Und sich dann zu denken, das ist jetzt so und damit fein zu sein. Ich weiß noch, ich stand im Krankenhaus und schaute in den Spiegel und war einfach so happy, dass es so gelaufen ist und sich auch so richtig angefühlt hat.

Du hattest mir erzählt, dass deine Krankenkasse die zweite Brustabnahme nicht finanzieren wollte. Wie lief das ab?

Ich hatte ein professionelles Fotoshooting und habe diese Bilder verwendet, um mit Hilfe einer Journalistin einen Artikel über Brustlosigkeit in die Zeitung zu bringen. Diesen Artikel habe ich dann an den Vorstand und die Geschäftsführung der Krankenkasse geschickt und erwähnt, dass die Krankenkasse die Kostenübernahme verweigert hatte. Daraufhin hat sich die Krankenkasse bei mir gemeldet, sich bei mir entschuldigt und hat die Kosten übernommen. Das war toll, das hat sich nach Chaka gefühlt.

Ich wünsche mir, dass den Frauen einfach durchweg freigestellt wird, eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Dass sie entscheiden dürfen, wie sie sich anschließend operieren lassen möchten. Jede Frau und jede Erkrankung ist so individuell und das muss einfach eine ganz individuelle Entscheidung sein dürfen. Und wenn jemand hinterher eine Brustvergrößerung braucht, dann ist das so. Und wenn jemand gar keinen Busen mehr braucht, ist das auch so.

Was würdest du rückblickend anders machen?

Ich bin ziemlich uninformiert zu meiner Familie gegangen und habe viel Halbwissen präsentiert und sie damit in viel Angst versetzt. Das würde ich jetzt nicht mehr so machen. Ich glaube, ich würde jetzt erstmal Informationen zurückhalten bis ich selber genug informiert wäre. Ich würde mehr versuchen, optimistisch zu sein. Aber wie will man das schon rüberbringen? Das kann man in dem Moment nicht, wo man so eine lebensbedrohliche Diagnose bekommt. Aber ich wäre vielleicht nicht so fatal in meinen Aussagen. Ich habe wirklich gedacht, ich muss sterben und habe das so auch zu meiner Familie gesagt. Und habe damit natürlich meinen Mann und meine Kinder total verängstigt. 

In Hinblick darauf, dass du deine Brüste freiwillig abgenommen hast und viele Frauen ihre Brüste als Teil ihrer Weiblichkeit verstehen - wie definierst du deine Weiblichkeit und woraus schöpfst du deine Weiblichkeit?

Ich glaube, das hängt ganz viel damit zusammen, ob man sich wohl fühlt in seinem Körper. Und ich fühle mich wohl in meinem Körper. Sofort nach der Operation. Und ich hatte so richtig Lust auf Veränderungen und habe einmal meinen Kleiderschrank komplett ausgemistet und mich neu eingekleidet. Dann habe ich auch angefangen, mehr mit meiner Weiblichkeit zu spielen. Ich habe mir auf einmal ganz, ganz verspielte Sachen gekauft und hatte richtig Spaß, mich zu verkleiden und mich neu zu erfinden. Das macht mir Spaß und lässt mich weiblich fühlen. 

Vorher hatte ich eher ein ständiges Auf- und Ab mit meinem Körper. Mein Leben lang habe ich mit meinem Gewicht gehadert. Es ging immer rauf und runter. Ich war immer entweder am Abnehmen oder am Zunehmen. Und da habe ich jetzt während meiner Chemo und der ganzen Krebserkrankung einen totalen Frieden mit meinem Körper geschlossen. Ich dachte mir, wenn mein Körper mich durch diese Erfahrung bringt, dann lasse ich ihn in Ruhe mit irgendwelchen Abnahmegeschichten. Und wir haben da echt einen Pakt geschlossen. Seitdem ist mein Körpergefühl stabil.

Ich fühle mich wohl. Ich habe akzeptiert, dass ich nie Size Zero sein werde und auch nie eine zierliche Figur haben werde. Ich habe Frieden mit mir geschlossen und jetzt habe ich ein richtiges Wohlbefinden. Das ist mein Körper und das ist gut so und passt.

Was würdest du deinem jüngeren Ich raten?

Ich würde mir raten, mutiger zu sein. Chancen, die sich bieten, zu ergreifen. Und intensiver zu leben. Ich glaube, ich war sehr, sehr viel ängstlicher und habe zu sehr abgewogen, was jetzt zu tun ist oder nicht. Dadurch habe ich mir Chancen entgehen lassen, mich ins Abenteuer zu stürzen. 

Was würdest du Frauen raten, die jetzt in einer ähnlichen Situation sind?

Ich würde ihnen raten auf ihr Bauchgefühl zu hören und in sich reinzuhorchen, was sie brauchen. Ich würde ihnen raten, den Mut zu haben, eine wirklich individuelle Entscheidung zu treffen, gerade in Bezug darauf, was sie möchten und sich wünschen. Viele Frauen treffen keine eigenen Entscheidungen, weil der Mann noch mitredet, weil die Freunde noch mitreden, oder weil irgendjemand aus dem Umfeld noch mitredet. Und ja… ich würde jeder Frau raten, eine eigenständige Entscheidung zu treffen.

Außerdem würde ich sagen, auch wenn es jetzt echt mega scheiße ist, es geht auch wieder aufwärts. Es wird der Tag kommen, an dem es wieder anders sein wird. Also hoffentlich… natürlich gibt es Frauen, die am Brustkrebs sterben, das muss man nicht schön reden. Aber es sind so viele, die es auch schaffen.  

 

Danke, liebe Melanie, für das wunderbare und ehrliche Gespräch. 

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